Inhaltszusammenfassung:
In dieser Dissertation wurde die subjektive Wahrnehmung prodromaler Zeichen des idiopathischen Parkinson Syndroms (IPS) in einer Hochrisikokohorte für Parkinson und Alzheimer untersucht und mit der (objektiven) Leistung in klinischen Untersuchungen verglichen. Es handelte sich um eine Querschnittsanalyse der ersten Follow-Up Untersuchung der longitudinalen TREND-Studie. In dieser prospektiven Studie wurden insgesamt etwa 1200 Probanden zwischen 50-80 Jahren auf prodromale klinische Zeichen des IPS und der Alzheimer-Erkrankung hin untersucht. Es erfolgte eine Einteilung der Probanden in 3 Risikogruppen (Hyposmie, Depression und REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD)), in Gruppen mit Kombinationen dieser Marker sowie in eine Kontrollgruppe ohne diese Marker. Alle Probanden wurden hinsichtlich ihrer subjektiven Einschätzung ihrer Riechminderung, motorischen und kognitiven Defizite, depressiven Symptome, Zeichen für RBD sowie autonomen Symptomen befragt. Zudem wurden die Probanden auch bezüglich dieser Aspekte klinisch untersucht. Die Diskrepanz bzw. Übereinstimmung der subjektiven Einschätzung mit der in der klinischen Untersuchung festgestellten Leistung bzw. Symptome wurde jeweils in einer Vierfeldertafel für die Gesamtkohorte, die definierten Risikokohorten und die Kontrollgruppe untersucht. Für jede der Gruppen wurden statistische Unterschiede zwischen subjektiven und objektiven Maßen mittels Chi-Quadrat Test überprüft und die Effektstärke des Zusammenhangs als Kontingenzkoeffizient |ϕ| angegeben. In der Testung zur Geruchs-wahrnehmung wurde zusätzlich die subjektive Einschätzung des Geruchssinns mit Hilfe eines t-Testes mit der Leistung in der Geruchsuntersuchung verglichen. Insbesondere in der Riechtestung und bei der Untersuchung des Tremors zeigten sich signifikante Zusammenhänge mit mittelgroßen Effektstärken (|ϕ|HYP=0,48, |ϕ|TREM=0,38; p<0,001) zwischen objektiver Untersuchung und der Selbsteinschätzung der Probanden. Bezüglich der Riechleistung zeigte sich in allen untersuchten Kohorten ein signifikanter Zusammenhang zwischen der subjektiven Einschätzung und der Leistung in der Sniffin’ Sticks Untersuchung: Probanden, die ihre Geruchswahrnehmung als vermindert empfanden erzielten eine geringere Punktezahl in der Sniffin’ Sticks Untersuchung und umgekehrt. In Erhebungen zu Einschränkungen in der Motorik zeigten sich geringe Effektstärken bei feinmotorischen Tätigkeiten (|ϕ|=0,19, p<0,01) und Störungen des Gangbilds (kleinschrittiges Gangbild: |ϕ|=0,14, p<0,01; gebeugter Oberkörper: |ϕ|=0,15, p<0,01). Bezüglich der Untersuchung der Konzentrationsfähigkeit zeigte sich ebenfalls nur eine geringe Effektstärke des Zusammenhangs (|ϕ|=0,1 p=0,002). In weiteren Erhebungen zu Motorik und Kognition betrug die Effektstärke |ϕ|<0,1 zwischen subjektiver und objektiver Erhebung. Bei den Untersuchungen zur Gedächtnisleistung gaben >70% aller Teilnehmer subjektive Einbußen an, wenngleich objektiv weniger als die Hälfte der Teilnehmer diesbezüglich Auffälligkeiten zeigten. Hohe bis mittlere Effektstärken konnten zwar in den Erhebungen zu Depression (|ϕ|=0,5-0,39, p<0,01), RBD (|ϕ|=0,65-0,24, p<0,01) und autonome Dysfunktion (|ϕ|=0,45-0,27, p<0,01) gezeigt werden, allerdings beschränkte sich hier die klinische Untersuchung (wie auch die Selbsteinschätzung) auf einen selbst ausgefüllten Fragebogen und nicht auf eine quantitative objektive klinische Untersuchung. Auch der Vergleich innerhalb der einzelnen Risikokohorten zeigte keine schlüssigen Ergebnisse. Die Selbsteinschätzung allein kann nach den Ergebnissen dieser Dissertation in einzelnen Bereichen auf tatsächlich vorhandene Defizite hinweisen. Die Anzahl der sich falsch einschätzenden Probanden war jedoch in allen Bereichen zu hoch, um sich allein auf subjektive Angaben zu verlassen. Für einen Screening-Fragebogen mit subjektiven Einschätzungen der Riechleistung und motorischer Defizite könnten sich insgesamt 12 Fragen (mit |ϕ|>0,1) anbieten. Zusätzliche objektive (klinische) Untersuchungen scheinen allerdings nötig zu sein um Einschränkungen verlässlich feststellen zu können. Allerdings ist bisher noch unklar, welche Teilnehmer mit welchen subjektiven Einschränkungen sowie Prodromalmarkern im Studienverlauf eine neurodegenerative Erkrankung entwickeln werden (bzw. entwickelt haben) und wie sich somit der langfristige Vorhersagewert der subjektiven Wahrnehmung darstellt.