Inhaltszusammenfassung:
Anhand einer retrospektiven Analyse von Sorge- und Umgangsrechtsgutachten sowie einer schriftlichen Befragung von FamilienrichterInnen wurden im Rah-men einer Gemeinschaftsarbeit Gründe und familiäre Umstände herausgearbei-tet, die zu einer Begutachtung eines schon über 14-jährigen Jugendlichen führen. Um mögliche Geschlechtsunterschiede aufzeigen zu können, wurden die Gutachten nach dem Geschlecht des untersuchten Jugendlichen getrennt bearbeitet: Diese Arbeit beschäftigt sich mit Jungen, in der Dissertation von F. Wörle sind Mädchen Gegenstand der Untersuchung.
Der subjektive Eindruck, dass Begutachtungen in dieser Altersgruppe sehr selten vorkommen, hat sich bestätigt: Von Januar 1991 bis Juni 2004 wurden an der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Tübingen nur 30 familienrechtliche Gutachten erstellt, in denen ein über 14 Jahre alter Junge untersucht wurde. Es fiel auf, dass deutlich mehr Jungen als Mädchen in diesem Alter begutachtet wurden (30 versus 25).
Die Ergebnisse der Gutachtenanalyse und der Richterbefragung zeichnen ein vorsichtig zu interpretierendes, sehr komplexes Bild jugendlicher Scheidungs-kinder und machen deutlich, dass auch über 14-Jährige nach elterlicher Schei-dung stark belastet und hilfsbedürftig sind. Kommt es in diesem Alter zu einer Begutachtung, liegen meist extrem schwierige Umstände und Familienverhält-nisse mit hohem Konfliktpotential vor. Familiengerichte und Jugendämter sollen durch diese Studie ermutigt werden, auch bei Jugendlichen den familiären Hintergründen Beachtung zu schenken, sowie Sensitivität und Sensibilität für die herausgearbeiteten Problemsituationen zu entwickeln.