dc.description.abstract |
Patienten mit malignen Kopf-Hals-Tumoren leiden neben körperlichen Beschwerden häufig an psychoonkologischen Komorbiditäten, wie Angst, Depressionen, Anpassungsstörungen und Distress (Ninu et al. 2016, Singer et al. 2012). Diese retrospektive Querschnittsuntersuchung hat zum Ziel den psychoonkologischen Betreuungsbedarf bei Kopf-Hals-Tumor Patienten (N=90) der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie des Universitätsklinikums Tübingen aufzuzeigen. Insbesondere sollte untersucht werden, ob es in der Belastung und dem psychoonkologischen Behandlungsbedarf einen Unterschied bei Patienten mit Zweittumoren beziehungsweise einem Rezidiv, zu Patienten mit diesem Tumor als Ersterkrankung gibt. Zudem soll herausgefunden werden, wie hoch der subjektive Bedarf, also der Wunsch der Patienten nach psychoonkologischer Betreuung ist und wie er sich mit dem psychoonkologischen Behandlungsbedarf deckt, der durch akzeptierte Screening-Instrumente (Hornheider Screening-Instrument, Hospital-Anxiety and Depression-Scale-Anxiety, Hospital-Anxiety and Depression-Scale-Depression, Patient-Health-Questionnaire-2, Distress Thermometer) ermittelt wurde. Neben einer deskriptiven Statistik zur Überprüfung der Zusammenhänge wurde der Pearson Test und Cohens‘ Kappa herangezogen.
Das Testinstrument HSI erfasst 41,1% Patienten, die einen Bedarf an psychoonkologischer Betreuung haben. Dabei stellte sich kein signifikanter Unterschied (p< 0,4) zwischen den Patienten, die primär an einem Tumor erkrankten (Ersterkrankung 43,5%) und den Patienten mit einem Rezidiv beziehungsweise Zweittumor (33,3%) heraus. Rauchen zeigte einen signifikanten Zusammenhang mit dem psychoonkologischen Betreuungsbedarf auf. Das Screening-Instrument HADS stuft bei der Angstskala 20 % und bei der Depressionsskala 16,7 % der befragten Patienten als auffällig ein und legte keine signifikanten Zusammenhänge mit dem Erkrankungsstatus dar. Das Distress Thermometer zeigt wiederum einen noch höheren Bedarf an psychoonkologischer Belastung (60 %) auf und wertet mehr Patienten mit einem Rezidiv beziehungsweise Zweittumor als belastet aus (71,4 %). Der Kurztest PHQ-2 zeigt bei 31,1 % der Patienten eine Tendenz zu stärkeren depressiven Störungen. Auch dieser Test zeigt mehr Patienten mit einem Rezidiv beziehungsweise Zweittumor (37,1 %) als belastet an, als ersterkrankte Patienten (29 %). Einen Wunsch nach psychoonkologischer Betreuung gaben 26,7 % aller Patienten an. Ein Großteil davon sind Patienten, die allein leben. Der subjektive Bedarf weist signifikante Zusammenhänge mit dem Screening-Instrument HSI (p < 0,05) und der Depressionsskala der HADS (p < 0,01) auf. Des Weiteren liegt beim DT eine geringe Übereinstimmung mit dem subjektiven Bedarf (κ=0,186) vor.
Der psychoonkologische Bedarf fällt in den angewendeten Fragebögen sehr unterschiedlich aus. Auch die Zusammenhänge der psychoonkologischen Belastungen der Patientengruppen, die zum ersten Mal an einem Tumor erkrankt sind und denjenigen, die ein Rezidiv beziehungsweise Zweittumor haben, sind in dieser Untersuchung innerhalb der Screening-Instrumente inhomogen. HSI und HADS zeigen keine höheren psychoonkologischen Belastungen bei Patienten mit einem Rezidiv beziehungsweise Zweittumor auf. Wiederum weisen die Ergebnisse des DT und des PHQ-2 darauf hin, dass diese Patientengruppe prozentual mehr belastet ist. Der subjektive Betreuungswunsch als eine direkte Selbsteinschätzung der Patienten weicht bei den Patientengruppen „Ersterkrankte“ beziehungsweise „Patienten mit Rezidiv beziehungsweise Zweittumoren“ nicht signifikant voneinander ab. Die Patienten, die bei der Frage, ob Sie Unterstützung in der Krankheitsverarbeitung beziehungsweise psychoonkologische Behandlung benötigen, mit einem „Ja“ geantwortet hat, war größtenteils in den Screening Tests DT, HSI und HADS-Depressionen, jeweils signifikant mehr belastet als die Patienten ohne subjektiven Betreuungsbedarf. Die Korrelation dieser objektivierten Tests mit dem subjektiven Bedarf nach Cohen’s Kappa ist eher schwach und trifft nicht bei den Screening Tests PHQ und HADS-Angst zu.
Um die krankheitsbezogenen Komorbiditäten von Kopf-Hals-Tumor Patienten umfassender zu registrieren, wäre es empfehlenswert das Screening durch Testinstrumente zu ergänzen, die spezifischere Fragen zu dieser Erkrankung haben. Ebenso gilt es die Cut-Off-Werte zu überprüfen. Zudem würden weitere Screenings im Verlauf die nachhaltigen Effekte von psychoonkologischen Angeboten darlegen können und den Patienten in der posttherapeutischen Zeit begleiten.
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass der subjektive Bedarf bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren bei 26,7 % gesehen werden kann, unabhängig, ob es sich um ein Ersttumor oder Zweittumor handelt. Der getestete Bedarf liegt dabei um 14,4 % höher. Nach dem Jahresbericht von der DKG lag 2014 der Median aller zertifizierten Kopf- Hals-Tumor Zentren bei 25,0 % Patienten, die stationär oder ambulant psychoonkologisch betreut wurden und spiegelt somit den subjektiven Bedarf wider, der am Universitätsklinikum Tübingen nach dem Behandlungspfad auch ausschlaggebend für ein psychologisches Erstgespräch ist. |
de_DE |