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Bislang gibt es nur wenige Daten zum Langzeitoutcome von Kindern mit RS. Da die RS zu den seltenen Fehlbildungen zählt, ist es schwierig, repräsentative Studienpopulationen zu gewinnen. Wir konnten insgesamt 21 RS-Kinder im Alter von 8-12 Jahren, die mit dem Tübinger Therapiekonzept behandelt worden waren, untersuchen. Zudem wurden 21 korrespondierende gesunde Kontrollprobanden rekrutiert und die Untersuchungsergebnisse mit denen der RS-Probanden verglichen. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf die Entwicklung von Größe, Gewicht, Kopfumfang, den Schlaf mit OSAS-Anzeichen und die kognitive Entwicklung mit Hilfe eines IQ-Tests gelegt. Wir stellten fest, dass nach suffizienter Behandlung des OSAS und der Trinkprobleme eine normale Entwicklung möglich ist. Syndromale RS-Kinder weisen auf Grund ihrer Begleitsymptomatik meist eine schlechtere Entwicklung auf; dies fand sich auch vorliegend. Vor allem das schlafmedizinische Outcome der Gesamtgruppe zeigte noch pathologische Auffälligkeiten.
Im Bereich der klinischen Vorbefunde der RS-Probanden konnten wir bestätigen, dass ein früh postnataler Therapiebeginn von Vorteil ist, um negative Langzeitfolgen zu vermeiden. Der MOAI kann durch den Einsatz der TPP signifikant gesenkt werden und das Tübinger Therapiekonzept fördert die orale Nahrungsaufnahme und somit die Gewichtszunahme. Kinder mit syndromalen Begleiterkrankungen hatten meist weitere Begleitsymptome und deshalb oft einen längeren initialen Klinikaufenthalt. Unmittelbar postnatal zeigten die Kinder mit RS keine Auffälligkeiten in den Geburtsdaten. Bei den Langzeitergebnissen zu den anthropometrischen Daten ist festzuhalten, dass die Gewichts- und Längenentwicklung altersentsprechend stattfinden konnte, wobei das Gewicht eher beeinträchtigt war, als die Länge und im Median stets unter dem Gewicht der Kontrollgruppe lag. Der Kopfumfang bei den RS-Probanden wurde zum Untersuchungszeitpunkt und auch im Verlauf der U-Untersuchungen im Median signifikant kleiner gemessen als bei der Kontrollgruppe. Es ist fraglich, ob dies durch frühe Hypoxie im Rahmen der RS bedingt war oder als Zufallsbefund zu werten ist.
Die Ergebnisse der Krankengeschichte zeigten, dass Mittelohrentzündungen signifikant häufiger bei den RS-Probanden auftraten und diese oft mit Parazentesen therapiert werden mussten. Dies kann zusammen mit der Gaumenspalte zu einer verzögerten Sprachentwicklung führen, die durch logopädische Therapie positiv beeinflusst werden kann. Zum Untersuchungszeitpunkt waren alle RS-Probanden schon mit einer kieferorthopädischen Spange versorgt. Eine frühe kieferorthopädische Anbindung ist für die Entwicklung des Zahnstatus bei den Kindern essenziell.
Die Langzeitergebnisse zu den psychopathologischen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten können nur eingeschränkt beurteilt werden. Bei den RS-Probanden war eine Tendenz zu vermehrten körperlichen Beschwerden nachweisbar. Insgesamt waren die Ergebnisse ähnlich zu der Kontrollgruppe und es zeigte sich kein vermehrt aggressives, regelverletzendes Verhalten oder soziale Probleme, wie es zum Teil in anderen Veröffentlichungen beschrieben wird. Hier sind noch weitere Studien notwendig, um eindeutige Aussagen treffen zu können.
Die schlafmedizinischen Ergebnisse zeigten bei zwölf der 21 RS-Kinder ein OSAS. Zehn davon wiesen nur ein leichtes OSAS mit einem MOAHI von <1/h auf. Ein Kind hatte trotz unauffälliger Anamnese ein schweres OSAS mit einem MOAHI von 57,5/h. Dies unterstreicht noch einmal, wie wichtig es ist, dass im Verlauf regelmäßig schlafmedizinische Kontrollen stattfinden sollten um frühestmöglich auf ein weiterhin bestehendes oder neu auftretendes OSAS aufmerksam zu werden und dieses therapieren zu können. Auch bei vier Kontrollprobanden war ein leichtes OSAS festzustellen. Bisher waren im Tübinger Therapiekonzept ab dem Spaltenverschluss jährliche Schlaflaborkontrollen bis zu einem Alter von 6 Jahren vorgesehen. Anhand der Studiendaten ist eindrücklich gezeigt worden, dass ein längeres Screening auf OSAS bei Kindern mit RS stattfinden sollte. Daher haben wir bereits unsere hausinterne Leitlinie geändert und empfehlen nun auch nach dem 6. Lebensjahr eine Schlaflaboruntersuchung zum Screening auf ein OSAS alle 2 Jahre durchzuführen.
Neurokognitiv zeigte sich in unserer Studie unter adäquater Therapie eine normale Entwicklung der nicht-syndromalen RS-Kinder im Vergleich zur gesunden Normalbevölkerung. Kinder mit Syndromen müssen getrennt betrachtet werden.
Die Ergebnisse dieser Studie bekräftigen die weitere Anwendung des Tübinger Therapiekonzepts. Das Outcome zeigt, dass Kinder mit RS eine altersentsprechende Entwicklung durchlaufen können. Jedoch zeigte sich in unserer Studie bei einigen Kindern mit RS noch ein OSAS. Es ist wichtig, die Kinder und Eltern von der Relevanz regelmäßiger Polysomnographien zu überzeugen. Im Vergleich zu anderen Therapieformen der RS, die häufig sehr invasiv sind, ist die TPP eine vergleichsweise risikoarme und wenig belastende Therapiemethode.
Ein weltweit einheitliches Diagnose- und Therapiekonzept für Kinder mit RS könnte viele derzeit noch bestehende Fragen und Probleme der Familien sowie der behandelnden Ärzte adressieren und die Entwicklung der Kinder mit RS positiv beeinflussen.
Um den Krankheits- und Entwicklungsverlauf der Kinder mit RS strukturiert nachzuverfolgen wäre ein systematisches Follow-up beispielsweise im Rahmen eines europäischen RS-Registers sinnvoll und wünschenswert.
Einige Ergebnisse dieser Studie wurden bereits unter dem Titel „Long-term sleep and neurocognitive outcomes in primary school children with Robin Sequence treated with the Tübingen palatal plate in infancy“ beim Journal SLEEP veröffent-licht. Ebenfalls wurden die Ergebnisse der kieferorthopädischen Untersuchun-gen unter dem Titel „Prospective Evaluation of Children with Robin Sequence following Tübingen Palatal Plate Therapy“ beim Journal of Clinical Medicine veröffentlicht. |
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