Inhaltszusammenfassung:
Alle Lebewesen existieren in enger Assoziation mit einer Vielzahl von anderen Organismen, wobei besonders Bakteriengemeinschaften (Mikrobiome) eine wichtige Rolle spielen. So übersteigt z. B. beim Menschen die Menge der den Körper besiedelnden Mikroorganismen die Anzahl der körpereigenen Zellen bei Weitem. Die Wechselwirkungen zwischen Mikrobiom und Wirt können symbiotischer, pathogener, oder kommensalisher Art sein. Der Fadenwurm Caenorhabditis elegans ist ein hervorragendes Modellsystem, um spezifische Interaktionen zwischen Wirt, Mikroorganismen und Umwelt auf der funktionellen und insbesondere auch der genetischen Ebene zu untersuchen. Zusätzlich steht mit der verwandten Nematodenart Pristionchus pacificus ein zweites Modell zur Verfügung, das es ermöglicht, vergleichende Studien durchzuführen. Während C. elegans ein reiner Bakterienfresser ist, hat sich bei P. pacificus und nahverwandten Arten eine fakultativ räuberische Lebensweise mit einem Mundformdimorphismus entwickelt. Je nach Umwelteinflüssen bilden Jungtiere eine von zwei möglichen Mundformen aus. Während die enge, stenostomate (St) Mundform mit einem Zahn lediglich Bakterien als Nahrungsquelle zulässt, umfasst das Nahrungsspektrum der Individuen mit der weiten, eurystomaten (Eu) Mundform, die über zwei Zähne verfügt, neben Bakterien auch andere Würmer, die sie mit Bissen attackieren. Ziel meiner Arbeit war es, den Einfluss von verschiedenen Bakterien auf die Entwicklung und das Fressverhalten der Nematoden zu untersuchen. Dazu habe ich 136 Bakterienarten aus dem natürlichen Lebensumfeld der Würmer isoliert, ihre Wirkung auf die Würmer getestet und geeignete nichtpathogene Arten für die Verhaltensexperimente ausgewählt. Die Analyse des räuberischen Verhaltens der Würmer (Beißen, Töten durch Beißen, Fressen) auf verschiedenen Bakterien ergab deutliche Unterschiede, besonders bezüglich der Tötung von Beutetieren (C. elegans). Dabei führten verschiedene Stämme der Bakteriengattung Novosphingobium zu einer starken Erhöhung der Rate an Bissen und Tötungen, jedoch ohne dass mehr Kadaver gefressen wurden (surplus killing). Um die molekulare Basis dieses veränderten Verhaltens besser zu verstehen, habe ich transgene P. pacificus Stämme hergestellt, bei denen sich der Einfluss unterschiedlicher mikrobieller Nahrung auf der Genexpressions-, bzw. Fluoreszenzreporterebene widerspiegelte. Weiterführende Experimente, einschließlich Transposon-Mutagenese, Supplementierung und gezielten Knock-outs, haben gezeigt, dass von Novosphingobium gebildetes Vitamin B12 für die Verstärkung des räuberischen Verhaltens in P. pacificus verantwortlich ist und ebenfalls die Entwicklungsgeschwindigkeit erhöht. Letzteres konnte auch bei anderen Nematodenspecies nachgewiesen werden. Es handelt sich beim bakteriellen Vitamin B12 also um ein Schlüsselmetabolit, dass nematodenübergreifend eine wichtige entwicklungsbiologische Rolle spielt.