Verben im russischen Erstspracherwerb. Eine empirische Untersuchung zur Entwicklung von Erfahrungskategorien

DSpace Repository


Dateien:

URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-48192
http://hdl.handle.net/10900/46701
Dokumentart: PhDThesis
Date: 2006
Language: German
Faculty: 5 Philosophische Fakultät
Department: Slavistik
Advisor: Anstatt, Tanja (Prof. Dr.)
Day of Oral Examination: 2006-07-10
DDC Classifikation: 400 - Language and Linguistics
Keywords: Russisch , Spracherwerb , Verb , Granularität <Linguistik>
Other Keywords: Verben , Erfahrungskategorien
Russian , Language Acquisition , Verbs , Categories of Experience , Granularity
License: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
Order a printed copy: Print-on-Demand
Show full item record

Inhaltszusammenfassung:

Gegenstand der Arbeit „Verben im russischen Erstspracherwerb. Eine empirische Untersuchung zur Entwicklung von Erfahrungskategorien“ ist eine umfassende Analyse und Klassifikation des russischen Verbwortschatzes im frühen Erstspracherwerb von der ersten sprachlichen Äußerung bis zu einem Alter von 3 Jahren. Die Untersuchung basiert auf dem Material über den Erstspracherwerb von drei russischsprachigen Kindern (Varja Protassova, Ženja Gvozdev und Kirill Biev). Im Mittelpunkt der Arbeit steht zum einen die Erarbeitung und die Definition von semantisch basierten Verbkategorien, die im frühen russischen Erstspracherwerb vorherrschend sind sowie eine detaillierte Entwicklungsbeschreibung dieser Kategorien. Zum anderen werden im Anschluss daran die Verben, die einen motorischen Vorgang bezeichnen, anhand der Granularität nach ihrer lexikalischen Deutlichkeit in feine und grobe, mittel-grobe und mittel-feine Verben klassifiziert (vgl. Marszk 1996). Die Entwicklungsbeschreibung dieser Kategorien soll Aufschluss darüber geben, welche Erklärung die Granularität in Bezug auf die Erwerbsreihenfolge dieser Verben bietet. Bei den Untersuchungen wird von der Annahme ausgegangen, dass erste Verbbedeutungen auf den Erfahrungen basieren, die ein Kind im Laufe der Entwicklung mit seiner Umwelt macht. Insgesamt lassen sich im frühen russischen Erstspracherwerb fünf zentrale Erfahrungskategorien definieren: Die Verben werden danach in Kategorien zusammengefasst, ob sie einen motorischen, sensorischen, sozialen, mentalen oder emotionalen Vorgang bezeichnen. Diese Kategorien können wiederum in verschiedene Unterkategorien eingeteilt werden. Die Untersuchung der Verben aus allen drei Korpora hat ergeben, dass die Kategorie der motorischen Tätigkeiten (z.B. idti ,gehen‘, davat’ ,geben‘) innerhalb der Klassifikation die größte Gruppe im frühen russischen Erstspracherwerb bildet und bereits ab der Einwortphase in den Korpora belegt ist. Es kann weiterhin nachgewiesen werden, dass einerseits Verben, die einen sensorisch bzw. perzeptuell wahrnehmbaren Akt oder Zustand (vgl. bolet’ ,schmerzen, krank sein‘, zret’ ,reifen‘) und andererseits Verben, die einen sozialen Akt denotieren (z.B. pokupat’ ,kaufen‘, sovetovat’ ,einen Rat geben‘), die zweit- bzw. drittgrößte Kategorie innerhalb der Klassifikation darstellen. Die mit Abstand kleinsten Kategorien bilden die Verben, die entweder einen mentalen (vgl. dumat’ ,denken‘) oder einen emotionalen (vgl. ljubit’ ,lieben‘) Vorgang bezeichnen. Es konnte gezeigt werden, dass der Erwerb dieser Verben dadurch erschwert wird, dass sie nicht eindeutig auf motorisch wahrnehmbare Situationen bezogen werden können, wie dies beispielsweise bei Verben, die eine motorische Tätigkeit bezeichnen, der Fall ist. Die Ergebnisse bestätigen die eingangs formulierte Arbeitshypothese, dass erste Verbbedeutungen auf den Erfahrungen basieren, die ein Kind im Laufe der Entwicklung mit seiner Umwelt macht. Im Anschluss daran werden die Verben, die einen motorischen Vorgang bezeichnen, anhand der lexikalischen Kategorie der Granularität näher untersucht. Für eine Untersuchung im Erstspracherwerb müssen die vorhandenen Testverfahren zum Teil modifiziert und erweitert werden. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die von Marszk aufgestellten Granularitätsstufen grob und fein, mittel-grob und mittel-fein im Erstspracherwerb nicht aufrecht erhalten werden können, sondern dass sich eine veränderte Abstufung in einerseits grobe, andererseits feine Verben ergibt, die jeweils in weitere Unterklassen eingeteilt werden können. Die Analyse hat insgesamt ergeben, dass lexikalisch deutliche, d.h. feine Verben dadurch gekennzeichnet sind, dass sie (senso)motorisch wahrnehmbare Situationen denotieren, von denen bekannt ist, wie sie im Detail vor sich gehen. Aus diesem Grund stehen diese Verben am Anfang des russischen Erstspracherwerbs und stellen mit Abstand die größte Kategorie unter den Verben dar. Lexikalisch undeutliche, d.h. grobe Verben werden tendenziell erst später erworben und sind im Untersuchungszeitraum in einer wesentlich geringeren Anzahl belegt als feine Verben. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass mit zunehmender lexikalischer Undeutlichkeit eines Verbs die sensomotorisch wahrnehmbaren Anteile einer Situation abnehmen und somit nicht mehr angegeben werden kann, wie die von groben Verben denotierten Vorgänge im Einzelnen ausgeführt werden. Im Zusammenhang mit den Fragestellungen und den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit wäre des Weiteren sowohl die Untersuchung des Verbwortschatzes älterer Kinder als auch die Untersuchung weiterer Verbgruppen (wie z.B. Sprechaktverben oder Verben, die einen mentalen Akt denotieren) bezüglich ihrer Granularität von Interesse. Für diese Verbgruppen müssten allerdings erst adäquate Testverfahren entwickelt werden. Weitere empirische Untersuchungen, vor allem in Bezug auf die Entwicklung der Granularität im Erstspracherwerb, müssen deshalb ein Desiderat bleiben.

Abstract:

Main Topic of the dissertation “Verbs in Russian Language Acquisition. An Empirical Analysis of the Development of Semantic Classification of Categories of Experience” is a widespread study and classification of the Russian verb vocabulary in first language acquisition from the very onset of speech up to 3 years. The study is based on the diary data of three Russian speaking children (Varja Protassova, Ženja Gvozdev und Kirill Biev). The analysis focuses on the one hand the development and the definition of semantic based verb categories predominant in the early Russian language acquisition as well as a detailed description of the development of these categories. On the other hand verbs, describing a motor act will be categorised based upon the category of granularity by the lexical explicitness into fine-grained and coarse-grained as well as medium-grained verbs. The description of the development of these categories give information about which explanation on the order of income the category of granularity gives. The study assumes that the acquisition of verb meanings depends on the different experiences a child already made in his life. In early Russian language acquisition five basic categories could be worked out. The verbs are classified therefore, either if they describe motor acts, sensory perceptible states and acts, social acts, mental and cognitive or emotional states and acts. These categories again can be divided into subclasses. The analysis of the verbs extracted from the three diaries show that the category of motor acts (for example idti ,go‘, davat’ ,give‘) represent the biggest category in Russian first language acquisition. This is proven within the diaries right from the very onset of speech. Furthermore it has been proven that verbs which are denoting a sensorical perceiving situation, respectively denoting a perceptual perceiving situation (see bolet’ ,aching, being sick‘; zret’ ,maturing‘) as well as verbs that are denoting a social situation (e.g. pokupat’ ,buy‘, sovetovat’ ,to give advice‘) are representing the 2nd, respectively the 3rd largest category within the classification. The category of verbs that are constituting a mental (see dumat’ ,to think‘) or emotional situation (e.g. ljubit’ ,to love‘) is the smallest category by far. It has been proven that the acquisition of these verbs is becoming difficult, because they cannot be exactly matched on motorical perceiving situations as this is the case for verbs that are describing a motorical situation as an example. The results confirm the initially stated working hypothesis that the first meaning of verbs are grounded on the experiences a child is making during the course of his upgrowth with his environment. Subsequently the verbs that are describing a motorical situation will be closer examined based on the lexical category of granularity. To be able to determine the granularity of a verb (either fine-grained or coarse-grained), Marszk (1996) has developed different tests. To be able to use these tests as part of the early language acquisition they need to be partially modified and extended. The results show that the levels of granularity as defined by Marszk fail to be valid as part of the early language acquisition. Instead of them, the examination has proven that there is a different classification of the verbs in either fine-grained or coarse-grained which can be divided in additional subcategories. Finally the analysis has proven that lexically articulate verbs (means fine-grained verbs) are characterized by their ability to denote (sensory) motorical perceiving situations, from which of them is known how they are executed in detail. This is the reason why those verbs are acquired at the very beginning of the early Russian language acquisition. They represent the largest group of all verbs by far. Lexically inarticulate verbs (means coarse-grained verbs) tend to be acquired later on. As part of the analysis they are much less represented as fine-grained verbs. The reason for this is mainly based on the fact that with raising lexical inarticulateness of a verb, the amount of sensory motorical perceiving parts of a situation is reduced, and therefore cannot be shown furthermore as this is the case for coarse-grained verbs that denote a situation. In context to the problem and results of this dissertation, further examinations with respect to granularity on the verbs of older children, as well as examinations to additional groups of verbs (e.g. speech-act verbs; verbs that denote a mental situation) would be of interest. In order to do so, adequate testing procedures need to be developed. Enhanced empirical research, especially in relation to granularity within language acquisition need to stay therefore a desideratum.

This item appears in the following Collection(s)