Die Dissertation ist gesperrt bis zum 13. Mai 2026 !
Proteine sind lebenswichtige Biomoleküle, die in allen Organismen vorhanden sind. Sie unterschei-
den sich in Größe, Form, Struktur und Funktionalität. In vivo sind Proteine normalerweise in Kontakt
mit anderen Biomolekülen in einem natürlich belebten Milieu oder mit Lösungsmittelmolekülen.
In beiden Fällen sind sie in eine wässrige Umgebung eingetaucht, was das Verständnis ihres Ver-
haltens in Lösung in der biologischen, physikalisch-chemischen, klinischen und pharmazeutischen
Forschung unerlässlich macht.
Diese Arbeit konzentriert sich insbesondere auf Blutserumproteine, die grundlegende Körper-
funktionen wie die Immunantwort, den Nährstofftransport und die Regulierung des osmotischen
Drucks erfüllen. Eines der untersuchten Proteine ist Rinderserumalbumin (BSA), ein globuläres Pro-
tein, das für die Regulation des osmotischen Drucks, den Transport von Fettsäuren, Bilirubin, Min-
eralien und Hormonen sowie als Antikoagulans und Antioxidans im Blut verantwortlich ist. BSA ist
ein etabliertes Standardmodell in der Proteinforschung. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt jedoch
auf monoklonalen Antikörpern (mAbs). Antikörper oder Immunglobuline sind die erste Verteidi-
gungslinie von Säugetierorganismen und damit ein grundlegender Bestandteil des Immunsystems.
MAbs sind Proteine, die so konzipiert und hergestellt sind, dass sie an spezifische Ziele binden, um
ein breites Spektrum von Krankheiten wie Krebs, Autoimmunerkrankungen und Virusinfektionen zu
bekämpfen. Die Möglichkeit der Selbstverabreichung motiviert die Formulierung von Produkten für
die Verabreichung von subkutane (SC) Injektion gegenüber anderen Verabreichungswegen. Die phar-
mazeutische Herausforderung besteht darin, hochkonzentrierte Antikörperlösungen zu formulieren,
um eine signifikante therapeutische Wirkung mit einer minimalen Anzahl von Injektionen zu erzielen
und gleichzeitig die Viskosität zu begrenzen und die kolloidal und physikalisch-chemische Stabilität
zu erhalten.
Die Untersuchung hochkonzentrierter mAb-Lösungen ist von entscheidender Bedeutung, um
unerwünschtes Verhalten in der Formulierung zu vermeiden, wie z.B. Aggregation, Phasentrennung
oder hohe Viskosität, die eine schmerzfreie Injektion verhindern. Es ist bekannt, dass die reversible
Selbstassoziation von Proteinen der zugrundeliegende Mechanismus für eine hohe Lösungsviskosität
ist und in der Regel durch elektrostatische oder hydrophobe Wechselwirkungen zwischen den Mono-
meren hervorgerufen wird. Eine Proteinaggregation, die auf molekularer Ebene beginnt, kann irre-
versibel wachsende Domänen bilden und zu einer makroskopischen Phasentrennung führen. Dieser
Phasenübergang wurde von verschiedenen Disziplinen wie Physik, Chemie, Biologie und Ingenieur-
wissenschaften eingehend untersucht. In den letzten Jahren wurde entdeckt, dass Phasentrennung in
Zellen allgegenwärtig ist, eine wichtige Rolle in biologischen Organismen spielt und die Grundlage
für pathologische Fehlfaltungen und Fehlfunktionen von Proteinen ist.
In dieser Arbeit wird die mikroskopische Diffusion von Proteinen in wässrigen Lösungen auf verschiedenen Zeitskalen, aus verschiedenen Blickwinkeln und mit Hilfe von Neutronenstreutech-
niken untersucht. Da Neutronen mit Kernen wechselwirken, sind sie als nicht-störende Sonden für
die Untersuchung von Materie im Allgemeinen besonders geeignet. Kalte Neutronenstreuung eignet
sich für Längen- und Zeitskalen in weichen und biologischen Systemen, wie z.B. Proteinlösungen. In
dieser Arbeit wurde die Selbst- und Kollektivdiffusion einer beispiellosen Reihe pharmazeutisch rele-
vanter mAbs in einem formelähnlichen Puffer für IgG-Proteine untersucht. Der Einfluss von Crowd-
ing, Temperatur und Antikörpervariante wurde beobachtet.
In der ersten Studie wurde die Kurzzeit-Selbstdiffusion von 5 mAbs mit QENS bei verschiede-
nen Proteinkonzentrationen untersucht, um die Auswirkungen des Crowding zu bewerten, die Selb-
stassoziation der Antikörper zu beobachten und den Zusammenhang mit der Viskosität der Lösung
zu untersuchen. Die Messungen wurden bei verschiedenen Temperaturen durchgeführt, von der
Lagerung im Kühlschrank bis hin zu physiologischen Temperaturen, um die Dissoziation der Cluster
zu beobachten. In der gleichen Studie wurde SANS verwendet, um die strukturellen Eigenschaften
und die Lösungsorganisation der Proben bei relativ hohen Konzentrationen zu untersuchen. Die
Arbeiten wurden auch durch MD-Simulationen ergänzt.
Die zweite vorgestellte Studie konzentriert sich dagegen auf die kollektive Dynamik und die inter-
molekularen Wechselwirkungen einer größeren Anzahl von mAbs. Zu diesem Zweck wurden NSE-,
SANS- und DLS-Experimente bei verschiedenen Konzentrationen und im oben genannten Temper-
aturbereich, jedoch in entgegengesetzter Richtung durchgeführt, um die Selbstassoziation nahezu in
Echtzeit zu verfolgen. Eine Verlangsamung der Diffusion wird für das viskosere mAbs in Lösung
beobachtet, was auf eine stärkere Selbstassoziation, d.h. die Bildung größerer Cluster, hinweist. Der
Mechanismus verstärkt sich bei Lagertemperatur, die für zwei der viskosesten mAbs als UCST wirkt
und zu LLPS führt. SANS und die Berechnung von Antikörper-Normalmoden (NM) halfen ebenfalls
bei der Bewertung der molekularen Flexibilität in den verschiedenen untersuchten Proteinvarianten
und Isotypen.
Die Ergebnisse der Neutronenstreuung wurden durch eine detaillierte rechnerische Analyse der
Sequenzen und die Extraktion nützlicher Parameter zur Vorhersage ihres Lösungsverhaltens ergänzt.
Darüber hinaus wurden verschiedene Labortechniken wie Dialyse, Zentrifugation, UV-Vis-Spektros-
kopie und Viskosimetrie als wesentliche Hilfsmittel zur Probenvorbereitung und biophysikalischen
Charakterisierung eingesetzt.
Die dritte Studie, über die in dieser Arbeit berichtet wird, zielt darauf ab, die Rolle der Kurzzeit-
dynamik, die mit QENS untersucht wird, beim Eintritt in das LLPS-Regime für ein gut bekanntes
Protein-Salz-System, nämlich BSA in Lösung mit verschiedenen Konzentrationen von LaCl 3 , zu klären.
Dieses System zeigt einen umgekehrten Mechanismus in Bezug auf Antikörperproteine, wobei LLPS
durch LCST angetrieben wird. Die bemerkenswerte Beobachtung ist, dass die mikroskopische Umge-
bung im Nanosekundenbereich sehr dynamisch bleibt, auch wenn das LLPS-Regime durchlaufen
wird, d.h. auch wenn sich die Lösung makroskopisch in zwei Phasen teilt, eine proteinreiche und
eine proteinarme.
Zusammenfassend wurde die kurzzeitige Selbst- und Kollektivdiffusion von Proteinen in Lösung
mit verschiedenen neutronenspektroskopischen Techniken untersucht, um ihre Rolle bei der Pro-
teinaggregation und den Phasentrennungsmechanismen zu klären. Im Fall von mAbs haben wir
beobachtet, dass die Selbstassoziation von Proteinen zur Bildung kleiner Oligomere führt, die aus
einer größeren Anzahl von Monomeren bestehen, wenn die Proteine eine höhere Viskosität aufweisen.
Diese Lösungen zeigen auch ein UCSTLLPS-Verhalten. Bei der Untersuchung eines einfacheren
Protein-Salz-Systems mit LCST-LLPS-Verhalten zeigen wir eine Kontinuität der Kurzzeitdynamik beim Eintritt in den Bereich der Phasentrennung trotz makroskopischer Phasentrennung. Obwohl
es noch viele offene Fragen in der Protein- und Formulierungswissenschaft gibt, sind wir fest davon
überzeugt, dass wir eine wichtige Wissenslücke auf diesem Gebiet geschlossen haben und dass un-
sere Ergebnisse als Ausgangspunkt für zukünftige Studien dienen können.