Tabakregulierung zwischen Kooperation und Konfrontation - Framing- und prozessanalytische Perspektiven zur Identifikation von Erfolgsfaktoren für Interessenvertretung in der Europäischen Union

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URI: http://hdl.handle.net/10900/129858
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1298582
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-71220
Dokumentart: PhDThesis
Date: 2022-08-03
Language: German
Faculty: 6 Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Department: Politikwissenschaft
Advisor: Bieling, Hans-Jürgen (Prof. Dr.)
Day of Oral Examination: 2022-07-01
DDC Classifikation: 320 - Political science
Other Keywords: Interessenvertretung
Interessenforschung
Lobbying
EU
Tabakindustrie
Prozessanalyse
Framing
lobbying
EU
tobacco
process tracing
framing
Interest representation
License: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Die Partizipation von Interessengruppen in Gesetzgebungsprozessen der Europäischen Union (EU) ist von gegenseitiger Abhängigkeit im Sinne eines politischen Tauschs geprägt: Die gesetz-gebenden Institutionen benötigen Fachinformationen zur politischen Entscheidungsfindung. Inte-ressengruppen liefern Informationen und erhoffen sich dadurch Einfluss auf das Politikergebnis. Angesichts der Flut an konkurrierenden Akteuren, die auf diesen diskursiven Tausch einwirken, beschäftigt sich diese Arbeit mit der Frage, welche Faktoren politische Einflussnahme begünsti-gen. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass Interessengruppen versuchen, vor allem diskursi-ve Macht zu mobilisieren, um gesetzgebende Akteure zu überzeugen. Ihr Erfolg variiert je nach-dem, ob sie in der Lage sind, Koalitionen zu schmieden, politische Ansprechpartner zu finden und Informationen bereitzustellen. Um ihren Botschaften dabei mehr politisches Profil zu geben, nutzen sie Framing. Am Beispiel der Revision der EU-Tabakrichtlinie von 2012-2014 befasst sich diese Arbeit mit dem analytischen Potenzial der Erfolgsfaktoren politischer Einflussnahme in einem dynamischen Setting. Dazu wurde der Gesetzgebungsprozess in vier Analysephasen unterteilt und metho-disch mithilfe einer Kombination aus Prozessanalyse und dem Abgleich von Framing zwischen Interessengruppen und Institutionen, kurz Framing-Analyse, aufbereitet. Die Tabakrichtlinie polarisierte den politischen Diskurs und gilt heute als exemplarischer Kasus für intensives Lobbying, bei dem die Interessen von Tabakindustrie und Verbraucherschutz-Gruppen aufeinanderprallten. Die ausgezeichnete Quellenlage bereitete die Basis für die Anwen-dung der Methodenkombination, die zu teils überraschenden Erkenntnissen kommt. Erstens erwiesen sich formelle Koalitionen für erfolgreiche Interessenvertretung im vorliegenden Fall als weniger bedeutsam als angenommen. Wichtiger sind einheitliche Botschaften, die von einer möglichst heterogenen Gruppe aus Akteuren reproduziert werden. Zweitens sind möglichst exklusive Kontakte zu politischen Schlüsselfiguren von großem Vorteil. Allerdings versuchen Interessenvertreter auch über die Ansprache fachfremder politischer Akteure innerhalb der Insti-tutionen Einfluss auszuüben und innerinstitutionelle Opposition zu generieren. Diese Strategie führte im untersuchten Fall zum Erfolg – ausgerechnet das Europäische Parlament schwächte den Gesetzentwurf der Kommission an entscheidenden Stellen ab. Drittens begünstigt die Fä-higkeit, relevante Informationen bereitzustellen, die Chancen auf Einflussnahme. Interessen-gruppen nutzen Framing dabei gezielt zur Zuspitzung und Legitimierung ihrer Forderungen sowie zur Abgrenzung von konkurrierenden Interessen. Die Kombination aus Prozess- und Framing-Analyse erlaubt im Gegensatz zu vielen Large-N Studien eine Fokussierung auf mehrere Variablen, die als Erklärungsfaktoren politischer Ein-flussnahme dienen, und trägt gleichzeitig dazu bei, eine Triangulation der Befunde zu gewährleis-ten. Angesichts der zunehmenden Partizipation organisierter Interessen an EU-Gesetzgebungsprozessen, leistet diese Arbeit einen relevanten Beitrag zu einem dynamischen Verständnis von Interessenvertretung und bietet eine neue methodische Perspektive zur weite-ren Erforschung von Interessenvertretung in der EU.

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